Unser Zwönitzer Anzeiger (ZA) hat den neuen Projektleiter Martin Benedict interviewt. Hier das vollständige Interview:
Am 15.05.2019, also fast auf den Tag genau vor einem Jahr, wurde die Frage „Wird Zwönitz Modellkommune für „Smart City“, die intelligente Stadt?“ erstmals laut gestellt. Was als Eintrag auf der Homepage unter der Rubrik „Aktuelles“ nur sehr illusionär formuliert werden konnte, fängtnun an, Konturen anzunehmen.Im Juli letzten Jahres gab eine Fachjury, die im Auftrag des Bundesinnenministeriums die rund 100 eingereichten Wettbewerbsbeiträge prüfte, bekannt, dass Zwönitz neben zwölf weiteren Kommunen den Zuschlag erhält. Daraus resultierend werden unserer Stadt innerhalb der nächsten sieben Jahre 5,3 Millionen Euro Fördermittel zu Gute kommen. Unter intensiver Beteiligung der Bürger und örtlicher Unternehmen und Gewerbetrei-benden sollen Projekte umgesetzt werden, welche die Stadt Zwönitz mit ihren Dörfern attraktiver, technologisch fortschrittlicher, grüner und sozialer machen sollen. Mit dem Ankauf des SPEICHERs als künftiges digitales Innovationszentrum und mit der Festlegung von Zielkategorien durch denStadtrat wurden bereits Entscheidungen getroffen, die der digitalen Zukunft von Zwönitz die Richtung geben sollen. Einige Ideen wurden bereitsin Arbeitsgruppen diskutiert und teilweise umgesetzt. Der Projektleiter, der alle Fäden zusammenführen soll, heißt Martin Benedict und kommt aus Cranzahl. Er ist seit dem 1. Mai in Vollzeit bei der Stadt Zwönitz angestellt und freut sich auf die neue Herausforderung. Eine seiner Aufgaben wirdsein, die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt auf den „smarten“ Weg in die Zukunft mitzunehmen. Was wäre da als Einstieg nicht geeigneter als eine kleine Vorstellung seiner Person?
ZA: Werter Martin Benedict, „Smart City“ sind große Worte,unter denen sich noch nicht jeder etwas vorstellen kann. Wiesieht Ihr „Smart Zwönitz“ in sieben Jahren aus?
MB:In sieben Jahren sehe ich Zwönitz als digitale Stadt. Dabei versteheich „digitale Stadt“ nicht zwangsläufig als einen Ort, in dem möglichst viel digitale Technik zum Einsatz kommt. Vielmehr ist es eine Stadt, deren Bürger wissen, dass Digitalisierung nicht nur schnelles Internet bedeutet. Die digitale Stadt gibt ihren Bewohnern sinnvolle Werkzeuge an die Hand und schafft eine Infrastruktur, welche ein attraktives Wohnen und innovatives Arbeiten ermöglichen. Ziel ist es, die Digitalisierung so zu gestalten, dass ein gutes Umfeld für Bürger, Unternehmen und Vereine im gesamten Stadtgebiet entsteht. Auch für Noch-Nicht-Zwönitzer soll damitdie Stadt attraktiv werden. So könnte ich mir beispielsweise vorstellen,dass wir durch unsere Maßnahmen Start-Ups aus den umliegenden Hochschulstandorten anziehen
„Eine wichtige Rolle wird der SPEICHER spielen.“
Eine wichtige Rolle wird dabei der SPEICHER spielen, der zu einem digitalen Innovationszentrum ausgebaut werden soll. Dort soll für kreative Bürger und Unternehmen ein Ort entstehen, der es ermöglicht, eigene Projekte auszuprobieren, umzusetzen und in Geschäftsideen zu verwandeln. Auch für Arbeitnehmer werden dort kurzfristig anmietbare Arbeitsplätze entstehen. Das ist vor allem für die Pendler interessant, die vielleicht nich tim Home-Office arbeiten können oder wollen. Die aktuelle Situation zeigt, wie wichtig auch moderne, mobile Arbeitsplätze im Ort sind. Welche weiteren Maßnahmen wir in den nächsten Jahren umsetzen,werden wir in einem Strategieprozess zusammen mit dem Stadtrat undden Bürgern entwickeln. Einzelne Maßnahmen hat der Stadtrat aber bereits im März beschlossen. So soll für alle Bürger zum Beispiel dieNutzung des „ERZmobil“ eine schnelle Anbindung aus den Ortsteilen heraus zum Nahverkehr ermöglichen. Das erreichen wir über einen digital gesteuerten Bedarfsverkehr. Dabei werden beispielsweise die Fahrten durch intelligente Algorithmen optimiert. Auch die „Zwönitz-App“ wird als Werkzeug eine wichtige Rolle spielen. Sie wird Bürgern und Unternehmen ermöglichen, an der Stadtentwicklungmitzuwirken und eröffnet neue Informations- und Beteiligungskanäle, die über die bisherigen Social-Media-Auftritte der Stadt hinausgehen. So beabsichtigen wir mit der App ein digitales Stadtentwicklungskonzept aufzubauen, welches die Bürger direkt einbezieht und auch Entscheidungen fürunsere Bürger transparent und einfach nachvollziehbar darstellt. Das zur Frage, was wir in sieben Jahren erreichen wollen. Die Hauptziel-stellung bleibt aber das Bestreben, bei allen Maßnahmen so nachhaltig zu denken und zu handeln, dass nach dem Förderzeitraum das digitale Leben auch ohne Zuschüsse weitergehen kann
ZA: Sie haben einen sehr interessanten Lebenslauf, der viele Voraussetzungen für die Position des Leiters für Digitalisierung oder CDO (Chief Digital Officer), wie die Stelle korrekt heißt, mitbringt. Können Sie diese Eckpunkte Ihres beruflichen Werdegangs den Lesern vorstellen?
MB: Freude bereitet mir der Umgang mit Computern schon seit meinen Kindertagen. Das hat auch dazu geführt, dass ich nach Beendigung meines Realschulabschlusses eine Ausbildung zum Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung absolviert habe. In der Ausbildung wurde mir klar, dass es mir nicht genügt, zu wissen, wie man Software „baut“. Ich wollte auch die Hintergründe und die Theorie verstehen. So habe ich die Fachhochschulreife erlangt und anschließend an der Westsächsischen Hochschule Zwickau Informatik studiert. Dort habe ich 2012 meinen Masterabschluss erlangt und dann bei einer Softwarefirma als Projektmanager Software für den öffentlichen Gesundheitsdienst, also die Gesundheitsämter, entwickelt und mehrere Projekte geleitet. Die Neugier und die Lust, besonders innovative Themen zu verfolgen und mit modernsten Technologien zu arbeiten, führten mich dann weiter an die Technische Universität Dresden, an der ich in den letzten sechs Jahren als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, insbesondere Systementwicklung arbeitete. Dort habe ich an Digitalisierungsprojekten im Gesundheitswesen geforscht. Die Arbeit dort hat mein Verständnis vom Zusammenspiel von Mensch und Informationstechnik nachhaltig geprägt. Letztlich denke ich, dass ich durch alle diese Stationen etwas mitbringe, was für Zwönitz und das Smart City Projekt nützlich ist. Ich kann die Rolle der Digitalisierung für den Menschen analysieren, weiß aber auch wie man Quellcode schreibt und innovative digitale Lösungen aufbaut
„Wir sind sehr glücklich, wieder in der „Haamit“ leben zu können.“
ZA: Möchten Sie uns neben den beruflichen Fakten auch et-was über sich und Ihre Familie erzählen?
MB:Ich bin Vater dreier Söhne und wohne mit Frau und Kindern in Cranzahl. Aufgewachsen bin ich in Neudorf und habe zwischen 2007und 2018 mit meiner Frau in Zwickau und in Kesselsdorf bei Dresden gelebt. In Zwickau ist unser erster Sohn geboren und in Dresden unsere Zwillinge. Da meine Frau und ich Vollblut-Erzgebirger sind und unsere Familie auch hier lebt, haben wir uns bereits 2016 entschieden, dass „do drum unner Haisel stieh“ soll. Also haben wir uns ein Haus gekauft, ausgebaut und sind dort 2018 eingezogen. Wir sind sehr glücklich, wieder in der „Haamit“ leben und arbeiten zu können und dass unsere Kinder in den Genuss kommen, hier aufzuwachsen.
ZA: Richtig wäre am Anfang die Begrüßung Dr. Martin Benedict gewesen. Sie haben am 28. April 2020 Ihre Doktorarbeit verteidigt. Herzlichen Glückwunsch! Um welches Thema ging es in Ihrer Arbeit und könnten Sie die daraus resultierenden Erkenntnisse vielleicht sogar für Zwönitz anwenden?
MB: Meine Doktorarbeit hatte die Gestaltung und Bewertung von digtalen Plattformen im Gesundheitswesen zum Thema. Ich habe mich mit digitalen Innovationen im Gesundheitswesen befasst und wie man das Zusammenspiel digitaler Lösungen zwischen Leistungserbringern (Ärzte, Physiotherapien…), Patienten und Anbietern verbessern kann. Ist das auf Zwönitz und Smart Cities anwendbar? Ja. Plattformen wie Amazon oder App-Stores kennt inzwischen jeder – eine Vernetzung von Nutzern und Anbietern. Nichts anderes wollen wir für Zwönitz erreichen. Wir wollen Plattformen und Strukturen schaffen, um das Leben zu erleichtern und verschiedene Akteure in der Stadt zu vernetzen. Das soll Innovation fördern und das Stadtleben bereichern. Dabei sind wir aber von Bürgern, Unternehmern und Institutionen abhängig. Viele Interessensbekundungen wurden bereits an uns herangetragen. Das ist gut.
ZA: Sie antworten oft mit „Wir“. Wie stellt sich Ihr Team zusammen?
MB: Den Zwönitzern dürfte das Team schon etwas vertraut sein. Für mich hat es den Vorteil, dass ich mit Mitarbeitern durchstarten kann, die den Ort, die Menschen, aber auch die Verwaltung schon sehr gut kennen. Da gibt es den EDV-Experten Mario Albert, der Prozesse und Strukturen der Stadtverwaltung seit Jahren kennt und den Überblick über technische Voraussetzungen mitbringt. Martin Ahlheim als Betriebswirtschaftler wird das Thema Nachhaltigkeit begleiten und ökonomische Aspekte prüfen. Und Peter Glumbick als Experte für Öffentlichkeitsarbeit wird nicht nur für Publikationen zuständig sein, sondern auch das Thema digitale Beteiligung der Bürger intensiv vorantreiben. Noch ist das Team aber nicht komplett. Ich wage mich vor: Generalisten und innovative Denker sollten in naher Zukunft die Stellenausschreibungen der Stadtverwaltung im Auge behalten.
ZA: Was erwarten Sie von den Zwönitzern?
„Interesse. Ideen und Mitgestaltungswille.“
MB: Interesse. Ideen und Mitgestaltungswille. Egal ob jemand Ahnung von Digitalisierung hat oder nicht. Mich interessiert jeder Wunsch und jede Idee der Zwönitzer, aber auch jedes Bedenken, solange es sachlich eingebracht wird. Die Digitalisierung bietet Chancen aber auch Risiken für sehr viele Bereiche des Lebens. Es ist an uns Bürgern, diese so zu gestalten, dass sie eine Bereicherung wird. Dazu braucht es aktive Bürger, die mit uns zusammenarbeiten. Themen wie Mobilität spielen dabei genau so eine Rolle wie Vereinsleben, Gesundheitswesen, Bildung, aber auch die Korrespondenz mit der Stadtverwaltung. Ich wünsche mir viele Hinweise, um herauszufinden, was die Bürgerschaft von einer intelligenten und digitalen Stadt erwartet und ein aktives Mitgestalten, auch von denen, die der Digitalisierung skeptisch gegenüberstehen.
ZA: Es wird immer wieder von gewünschter Bürgerbeteiligung gesprochen. Wie können sich die Zwönitzer einbringen?
MB: Im Moment konkret mit einer E-Mail an unser Team: smartcity@zwoenitz.de oder über Twitter. Eine Website ist in Arbeit. Nicht zuletzt beabsichtige ich in den nächsten Monaten eine „Maker-Szene“ in Zwönitz zu etablieren. Interessierte kreative Köpfe, Bastler und Querdenker sollten sich dazu gern an mich wenden.
ZA: Die aktuelle Situation „Corona“ erzeugt Unsicherheit, Existenzängste und oftmals auch Pessimismus. Haben Sie Angst, dass das Projekt scheitert?
„Nur wer daran glaubt, dass er etwas verbessern kann, wird auch eine Lösung für Probleme finden.“
MB: Ich glaube, wenn man im Bereich der Innovation unterwegs ist, muss man zunächst einmal Berufsoptimist sein und gleichzeitig einen guten Sinn für die Problemlagen von uns Menschen haben. Nur wer daran glaubt, dass er etwas verbessern kann, wird auch eine Lösung für Probleme finden. Außerdem muss man Rückschläge vorhersehen und diese akzeptieren. Man muss auch mit Kompromissen leben. So wird auch nicht jede Lösung, die wir im Smart City Projekt umsetzen, gleich die super-top-ausgereifte Anwendung, die alle Probleme mit einem Schlag löst. Es ist und bleibt ein Innovationsprojekt und Innovation bedeutet, dass man auch einmal etwas ausprobieren muss, um festzustellen, dass es so wie man es versucht hat, nicht funktioniert. Dann muss man eben etwas Neues versuchen.
ZA: Herzlichen Dank für die vielen Informationen und viel Erfolg!